Montag, 10. Dezember 2012

CLOUD ATLAS - Buch und Film


CLOUD ATLAS  ist ein Biest von einem Buch. Denn eigentlich sind es sechs Geschichten, welche auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Diese sechs Minibücher werden Sandwich-mässig, chronologisch inneinandergesteckt und irgendwie ist dann doch alles miteinander verknüpft. Mitchel ist ein formliebender Autor.  Die Art wie ein Buch geschrieben ist ist vielmals auch schon der Grundgedanke zum Buch selber. Bei CLOUD ATLAS wählt er für jede Geschichte eine eigene Genre-Erzählform. Sei es ein Tagebuch, ein 70er-Jahre Thriller oder dialogiertes Erzählen in der Zukunft. Nicht nur die Form ändert sich durch die Dekaden, auch die Sprache passt sich jeweils der Zeiten an, in welchen die Geschichten spielen. Und rein für diese formale Spielerei muss man notumwunden den Hut ziehen. Spannend dabei wären nun die Verknüpfungen innerhalb der Geschichte. Und da wird’s dann leider eher Standard. Es gibt nur zwei Ebenen: Referenzen und Seelen-Geschwafel. Die Referenzen sind eher beiläufig und Standard. Im 70er-Thriller werden beispielsweise Briefe erwähnt, welche das vorhergehende Buch ausmachten oder der Charakter Somni sah in ihrer Vergangenheit mal einen Film, werlcher auf die vorhergehenden Erzählungen basieren, etc.  Die Referenzen sind zwar jeweils sauber umgesetzt, doch erschliesst sich daraus keine weitere Ebene. Die Beiläufigkeit wird bewusst als Stilmittel eingesetzt um die vorigen Geschichten nicht auf ein nichtvorhandenes Podest zu hieven. Das Seelen-Geschwafel wirkt dann doch eher seltsam aufgesetzt. Zwar ist es nicht explizit erwähnt, doch gibt sich bei den Charakteren ein wiederkehrendes Bild eines Muttermales in der Form eines Kometten. Dass es sich dabei um denselben Geist handelt, liegt eigentlich auf der Hand. Beim Lesen dachte ich jedoch immer, dass mit diesem Wissen innerhalb des Romanes etwas geschieht, irgendeine weitere Ebene freigeschaltet wird, doch war ich mir am Schluss darüber nicht bewusst. Es blieb einfach eine schlüssige Behauptung. Der Roman als Ganzes ist flüssig geschrieben und er macht auch relativ Spass zu lesen. Die durchgehend gesellschaftskritische Ebene ist zwar normiert, doch in guten Abständen werden, sauber recherchiert, Einsichten gegeben über die Charaktere, welche zum Denken anregen.  Die letzten paar Seiten, welche wieder tief in der Vergangenheit spielen, jedoch das ganze Buch zusammenfassen, lassen dann doch so etwas wie Euphorie aufleben, welche ich gerne auch zuvor ab und zu gespürt hätte.

Und nun kommt, von einem schon wieder als unverfilmbar deklarierten Buch, eine Filmumsetzung. Tom Tykwer und die Wachowskis spannten zusammen und wagten sich, innerhalb des Buches eine neue Form zu finden. Der sechsminütige Trailer war fantastisch und war ein Auslöser, das Buch im Vorfeld zu lesen. Doch schon da war klar, dass sie es nicht einfach haben werden. Es ist ein Arthousefilm im Gewand eines Mainstream-Schinkens. Die Arthouslers goutieren dies meist nicht und die Mainstreamler verstehen Bahnhof. Schwierige Grundvoraussetzungen. Dass der Film in Amerika dann auch völlig hinter den Erwartungen (Erwartungen???) zurückblieb, war nicht wirklich verwunderlich. Den Filmemachern war von vornherein klar, dass sie die Form des Buches nicht replizieren konnten. Und dazu gibt es auch keinen Grund. Buch ist Buch und Film ist Film. Beibehalten wurde der Genre-Gedanke (Science-Fiction kommt als Science-Fiction,  der altertümliche Briefverkehr als halbe Ivory-Produktion), die offensichtlichen Verknüpfungspunkte und der Hinweis auf das Seelen-Muttermal. Doch statt die Geschichten buchähnlich jeweils in zwei grossen Abschnitten zu zeigen, springen sie munter zwischen den verschiedenen Zeitebenen umher. Aus der orientierungslosen bewussten Überforderung des Zuschauers schälen sich jedoch immer wie öfters spannende Parallelen heraus. Durch die Stringenz der Geschichten; alle fangen gleichzeitig an und finden am Ende des Filmes zu einem Schluss; verdichtet sich das Bild der Buchaussage, dass sich die Geschichten, die Motivationen der Menschen, immer wiederholen. Der Mensch bleibt dumm, ausser er setzt sich über alle psychologischen Hindernisse weg und findet seinen Weg. Das Dreierteam setzt sehr bewusst gleichartige Szenen gegenüber. Teilweise übereinstimmend bis in Details wie Bildausschnitte, Kamerafahrten und Musikeinsätzen. Doch der eigentliche Kern des Filmes ist ein anderer. Statt das Bild der unsterblichen Seele auf eine Figur zu konzentrieren, bauen sie dieses Konzept weiter aus. Der charakterliche Erzählbogen durch die Zeiten wird ausgeweitet auf alle wichtigen Figuren. Um dies visuell umzusetzen, übernehmen die Hauptdarsteller jeweils die wichtigsten Rollen. Inklusive Geschlechteranpassungen. Und die Masken sind hervorragend. Einzelne Darsteller sind so gut getarnt, dass dem Zuschauer nur das Gefühl bleibt, die Figur doch irgendwie zu kennen.

Diese Ausweitung der Grundidee von Mitchel war für mich um einiges befriedigender. Natürlich ist dies im Buch auch impliziert, doch die visuelle Gegenüberstellung von Szenen, der Bogen von Abläufen hat mich am Film genauso beeindruckt, wie die Darstellung der einzelnen Charaktere des Casts. Ich wünschte mir, das Buch nicht im Vorfeld gelesen zu haben, um während dem Film mehr überrascht zu werden.

Wer noch nicht genug Ebenen-Springen hat, eine Empfehlung am Rande. Der Film THE FOUNTAIN verbindet drei Ebenen (Verganhenheit, Gegenwart, Zukunft) zusätzlich in einem emotionalen Spektrum, welches Seinesgleichen sucht.


Hier noch der Trailer zum Film:



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