Der Reiz des Flattermanns
Keine andere Batman-Verfilmung war so erfolgreich
wie Christopher Nolans Trilogie. Doch worin besteht eigentlich die Faszination
des «dunklen Ritters»? Von Cédric Russo und Fabian Degen
Nacht für Nacht geht er auf Verbrecherjagd. Er
beschützt die Unschuldigen und greift dort ein, wo die Polizei hilflos ist. Er
ist ein Phantom, ein Schatten. Gewillt, sein Leben für das anderer zu
riskieren: Batman.
Wer wäre nicht gerne so wie er? Ausgerüstet mit den
modernsten High-tech-Gadgets, durchtrainiert, Meister verschiedenster
Martial-Arts-Techniken, Streiter für das Gute und schlauer als zehn Füchse
zusammen.
Doch das sind alles Fähigkeiten, die andere
Superhelden auch haben. Weshalb können wir uns so sehr mit Batman
identifizieren, aber nicht, sagen wir mal, mit Superman?
Es gibt kaum zwei Charaktere im
Superhelden-Universum, die so unterschiedlich sind wie Batman und Superman.
Superman ist ein unbesiegbarer Ausserirdischer mit Superkraft, Superpuste,
Röntgenblick und weiss was noch alles. Vom Charakter her ist er hilfsbereit,
liebenswürdig, loyal und höflich. Ein echter Pfadfinder eben.Sein Charakter ist
allerdings holzschnittartig angelegt. Er ist naiv, hinterfragt selten Dinge und
wird nie von Selbstzweifeln geplagt. Wegen seiner Superkraft und seinem
charmanten Wesen ist er Inbegriff der Perfektion.
Ein ganz normaler Mensch
Batman dagegen ist ein ganz normaler Mensch ohne
Superkräfte. Er stellt seine Handlungen oft infrage, hängt deswegen kurzzeitig
sogar sein Kostüm an den Nagel. Seine Schwächen machen ihn verwundbar und damit
menschlich. Zwar hat auch er positive Charakterzüge wie Mut und
Entschlossenheit, doch er hat auch unrühmliche Seiten: Er ist verschlossen,
mürrisch, humor- und skrupellos.
Gerade wegen seiner menschlichen Züge kann Batman
sich weiterentwickeln. Während Superman in seiner über 70-jährigen
Comicgeschichte nie verändert wurde, unterlag Batman von Anfang an dem Wandel
des Zeitgeistes, was sich im Werdegang seiner Popkultur-Karriere
zeigt.
Vom Erfolg des ersten Superhelden Superman
motiviert, konzipierten Bob Kane und Bill Finger im Jahre
1939 für den Verlag Detective Comics (heute DC Comics) die
Figur des Batman. Als dunkler Detektiv jagte er Verbrecher und schreckte dabei
auch nicht vor dem Gebrauch von Schusswaffen zurück. Die Geschichten wurden zum
grossen Erfolg, sodass Batman bald seine eigene Comic-Heft-Serie bekam.
Durch die Einführung von Robin, Batmans
neunjährigem Sidekick, wurde in den 1940er-Jahren aus dem grimmigen
Einzelkämpfer bald ein Ziehvater. Doch die Serie verlor zunehmend an Biss –
auch wegen der vom Verlag selbst auferlegten Comic-Zensur, die den dunklen
Rächer immer mehr zum Flatterkaspar werden liess. Die Verkaufszahlen sanken ins
Bodenlose, und der Verlag überlegte sich, die Batman-Reihe einzustampfen.
Spiesser und Moralapostel
Zu neuem Erfolg verhalf erst 1966 die Batman-Fernsehserie. Die
Show war grell, bunt und an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Batman, gespielt
von Adam West,
mutierte darin zum Spiesser und Moralapostel. Die Comics orientierten sich
fortan an der Fernsehserie, doch als diese 1968 eingestellt wurde, fielen die
Auflagen erneut.
Die im Jahr 1969 vorgenommene Rückführung der
Batman-Figur zu ihren düsteren und detektivischen Wurzeln begrüssten die Fans
zwar, trotzdem blieb der Erfolg des Fledermausmannes mässig. Erst Mitte der
1980er-Jahre trugen die «Graphic Novels» zur
neuen Popularität Batmans bei.
Verschiedene Künstler interpretierten den dunklen
Rächer auf ihre Art, was zu neuen und spannenden Ansätzen führte. Allen voran Frank Miller, der in «The Dark Knight Returns» einen skrupellosen und nicht zu
Scherzen aufgelegten Batman präsentierte, der stark an seine Anfangstage
angelehnt war. Dieses Batman-Bild setzte sich in den Comics wie auch in den meisten
später folgenden Filmen durch – und wirkt bis heute.Seit über 70 Jahren streift
der dunkle Ritter nun durch Gothams Strassen, um Gauner dingfest zu machen.
Um sich so lange im Popkulturgeschäft halten zu
können, braucht es zwei Bedingungen: einen Mythos-Kern, der das Publikum
anspricht (in diesem Fall das durch den Mord an seinen Eltern traumatisierte
Kind) – und die Flexibilität der Figur.
Kaum eine andere Superheldenfigur hat sich über die
Jahre hinweg so wandlungsfähig gezeigt wie der dunkle Rächer. Teile seines
Charakters wurden kontinuierlich dem Zeitgeist angepasst. Auch konnten die
jeweiligen Autoren ihre Kreativität an Batman ausleben, was verschiedene und
originelle Sichtweisen auf den Helden möglich machte.
Superheld mit Charakter
Obwohl die Batman-Rolle immer wieder umgeschrieben
wurde, blieben einige ihrer alten Charakterzüge erhalten – etwa die Abneigung
gegen das Töten. Diese Charakterfestigkeit in Kombination mit der
Flexibilität der Figur bieten dem Publikum stets einen neuen Superhelden in
Teilen des alten Gewandes an. So bleibt das Gewohnte interessant.
Die meisten Superhelden, bei denen ein
traumatisches Erlebnis Auslöser für die Verbrechensbekämpfung ist, besitzen zu
diesem Zeitpunkt bereits ausserordentliche Kräfte. Peter Parker alias Spiderman verfügt
schon über seine Spinnenkräfte, als sein Onkel erschossen wird. Frank Castle
alias Punisher ist ein erfahrener Kämpfer, bevor seine
Familie umgebracht und er zum Rächer wird.
Im Fall Batman ist es anders. Zum Zeitpunkt des
Todes seiner Eltern ist Bruce Wayne gerade mal acht Jahre alt. Um seinen
Schwur, seine Eltern zu rächen, einlösen zu können, muss er sich zuerst zum
Batman entwickeln. Jahrelanges physisches Training und Studien in Kriminologie,
Forensik, Biologie, Chemie sowie Ingenieurwesen sind dazu erforderlich.
Anders als andere wird Bruce Wayne nicht zufällig oder mühelos zum
Superhelden, sondern durch Aufopferung und Willensstärke. Da Batmans Antrieb
und sein ganzes Sein auf dem Racheschwur beruhen, ist dieser auch das zentrale
Element seiner Lebensgeschichte.
Doch blanke Rache allein ist es nicht, was Batman
antreibt. Sonst würde er einfach den Mörder seiner Eltern umbringen.
Stattdessen sagt er allen Verbrechern in Gotham City den Kampf an, um solche
Tragödien, wie sie seinen Eltern und ihm widerfuhr, zu verhindern. Da Gotham
von Korruption durchtränkt ist, kann Bruce Wayne sein Ziel nicht auf
konventionellen Wegen erreichen. Die Exekutive Gothams ist unfähig, in der
Stadt für Recht und Ordnung zu sorgen. Deshalb nimmt er als Batman das Gesetz
selbst in die Hand und bewegt sich dabei auf einem schmalen Grat zwischen
Heldentum und Selbstjustiz.
Im Visier der Polizei
Bei seiner selbst auferlegten Aufgabe, alle
Verbrecher Gothams aufzuhalten und hinter Schloss und Riegel zu bringen,
handelt Batman eigenmächtig. Keine staatliche Instanz autorisiert ihn dazu, auf
Ganovenjagd zu gehen. Deshalb wird Batman auch immer wieder von der Polizei
verfolgt. Nicht alle in Gotham sind mit der Mission des dunklen Ritters
einverstanden und sehen ihn eher als Verbrecher denn als Held. Böse Zungen
munkeln sogar, die Superschurken gäbe es erst, seit Batman aufgetaucht sei,
denn diese wollten sich an ihm messen.
Pinguin, Poison Ivy, Mr. Freeze, Riddler –
Batmans Gegner sind zahlreich. Der gefährlichste unter ihnen ist aber Joker. Er ist
Batmans hartnäckigster und unverbesserlichster Widersacher, da seine
Weltanschauung mit jener Batmans nicht vereinbar ist. Beide haben eine
Psychose, der ein «schlechter Tag» zugrunde liegt. Bruce Waynes Eltern wurden
vor seinen Augen erschossen; Joker verlor in einer einzigen Nacht Frau und
Kind, und sein Körper wurde durch ein Chemikalienbad entstellt.
Doch während Batman versucht, die moralische
Ordnung der Welt wiederherzustellen, sagt Joker Ja zum Chaos, das ihn von allen
Ängsten befreit und ihm unbegrenzte Handlungsfreiheit verleiht. Joker ist ein
Zyniker, Batman ist ein Idealist.
Dass Batmans Existenz Superschurken hervorbringt,
wird zumindest bei Joker offensichtlich. Immer wieder betont dieser, dass er
die Fehde mit dem dunklen Rächer brauche, denn nur Batman sei ihm ebenbürtig.
Deswegen hat Joker auch nie vor, Batman umzubringen. Batman wiederum tötet
Joker nicht, weil das gegen seinen Moralkodex verstossen würde. Beide sind
somit in einem Kreislauf der Gewalt gefangen.
Einiges spricht gegen eine Vorbildfunktion Batmans.
Etwa sein Hang zur Selbstjustiz, der nicht zur Nachahmung empfohlen werden
kann. Auch die Tatsache, dass er einen neunjährigen Jungen namens Dick Grayson
alias Robin zur menschlichen Waffe ausbildet, um ihn in seinem Kampf gegen das
Verbrechen einzusetzen, ist ethisch nicht vertretbar. Zudem wird Batman von
seinem Hass auf Verbrecher verzehrt, und er geniesst es auch, diese nach
Strich und Faden zu verprügeln.
Vorbild mit Ecken und Kanten
Trotzdem hat Batman auch vorbildliche Züge. Er hat
es geschafft, seine Rachsucht zu kanalisieren und seine Fähigkeiten zum Wohl
der Allgemeinheit einzusetzen. Er hat seine Ohnmacht, ausgelöst durch eine
Tragödie, in eine Lebensaufgabe verwandelt, die seiner Existenz einen Sinn
gibt. Durch seine Kraft, nicht in Verzweiflung zu verfallen, sondern dagegen
anzukämpfen, beweist er, dass gewöhnliche Menschen dazu fähig sind, über sich
selbst hinauszuwachsen.
Vielleicht liegt gerade darin sein Erfolg begründet: Batman ist nicht
perfekt, sondern er hat viele Ecken und Kanten. Wir erkennen uns selbst in ihm
wieder, was ihn umso authentischer macht.
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