Dienstag, 18. Oktober 2011

THEATER BASEL Theatraler Saisonstart


Das Theater Basel öffnete wieder die grossen, schweren Pforten, inklusive neuer Leucht-Lauf-Schrift und läutet die Glocken für die letzte Saison unter Elias Perrig. Vier Stücke hatten in der Zwischenzeit Premiere, vier Stücke, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

DIE GÖTTER WEINEN
Es gibt einen neuen Kelly auf Deutsch, da kann Perrig ja nicht weit sein. Und so ist es. Doch der neue Kelly ist irgendwie anders. Grösser. Leicht Wahnsinniger oder Wahnwitziger. Genau entscheiden lässt sich dies schwer. Doch irgendwie ist er spannender. Subjektiv jedenfalls. Und dies mit Grund. Kelly hat  sich im Vorfeld scheinbar durch ein Medium mit Shakespeare unterhalten. Sein Gesellschaftsentwurf ist ernüchternd und von brennender Aktualität. Und brennen tun nicht nur die verhaltenen Emotionen und Kampfeslust, auch das Bühnenbild (Beate Fasnacht) geht nach der initialen Azteken-BladeRunner-Assozation langsam kollabierend in Flammen auf. Die Inszenierung ist klassisch Perrig aufs Wort bezogen. Verhaltenes statisches Spiel bis zur Explosion. Und genau dann, wenn man denkt, dass das Stück fassbar wird, geht es in eine zusätzlich reduzierte Endphase welche sich zum tragischen Finale, einbrechend mit einer vehementen Brutalität, hochschaukelt. Ein schonungsloser Abend und das bisher stärkste Stück Kellies.


HUSH, NO MORE
WASTE THE LIGHT kürte damals ICH WERDE HIER SEIN IM SONNENSCHEIN WIE IM SCHATTEN  von Corinna von Rad zum Theaterstück des Jahres. Natürlich war die Spannung gross, wie sie auf der Kleinen Bühne Purcells Fairy Queen und Shakespeares Sommernachtstraum zu einem neuen Traum-Soufflé vermengt. Und was für eins. Ich möchte diesen Traum jede Nacht träumen. Die verschrobene Leichtigkeit der Figuren fällt als erstes auf in diesem absurden Märchen für Erwachsene. Verschiedene Gestalten führen durch den Abend, der mit dem Schluss einer Hochzeit beginnt und im Nirgendwo endet, bevölkert durch schiefzahnige Kobold-Elfen, welche sich um Tatiana scharren. Es wird musiziert und gesungen, von blechmusik-getragenem Purcell (halb-offensichtlich) über schmelzenden Popperlen (offensichtlich durch die Teilnahme von Michi von der Heide) bis zu klebrigen Dad-Rock-Nummern (laut-rauslachend-nicht-wirklich-aber-dann-doch-offensichtlich). Es wird gesprungen, getextet, neu angefangen und an der Spirale gedreht bis eine Verdichtung einsetzt. Shakespeare-Kenntnisse erhöhen das Vergnügen. Man erinnert sich an den wohlgemeinten, hochstehenden Blödsinn vergangener Bachmann-Produktion. Insbesondere JEFF KOONS. Und natürlich ein feiner Schuss Marthaler. Zum Abschmecken. Unbedingt hingegehen!!! PFLICHTPROGRAMM!!!!! 


EIN VOLKSFEIND
Simon Solberg zum dritten. Und nächstes Jahr Simon Solberg zu dritt. Denn nach Saisonabschluss übernimmt er mit Tomas Schweigen und dem momentanen Dramaturgen Martin Wigger die Sparte Schauspiel fürs 2012/2013.
Und der Ibsen? Natürlich aktuell und entstaubt. Auf 70 Minuten runtergedampft und so heiss am Kochen, dass es spritzt. Nach der Tour de Force von Inga Eickemeier, welche die eigentlich männliche Rolle spielt, bleibt aber ein leicht fahler Nachgeschmack. Das Premierenpublikum war höchst unterhalten und viele der sympathisch bescheuerten Regieeinfälle sind schlüssig, witzig und machen Laune. Dass Solberg seine sozialromantische Ader nun zum dritten Mal schneidet um soviel Herzblut wie möglich auf die Bühne zu schmieren, fühlt sich nun jedoch langsam irgendwie konservativ an. Nicht vom Inhalt her. Die Theaterform ist geprüft, getestet und für Gut befunden, doch zur vielschichtigen Öderland-Inszenierung schaltet er merklich einen Gang zurück. Nicht dass er mit so viel Energie nach oben schalten könnte, aber seitwärts würde es ihm sehr gut tun. Denn in der groben Bearbeitung gehen spannende Feinheiten verloren, so dass es den Anschein hat, die Figuren beherrschen nur noch zwei emotionale Ebenen: Normalität und Nervenzusammenbruch. Und theatral finde ich den Übergang vom einten zum anderen eigentlich am spannendsten.
Aber nichtsdestotrotz. Der Abend ist unterhaltsam und vor allem kurz. Sehr sehr kurz.

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