Montag, 17. Januar 2011

FRÜHLINGSERWACHEN am Theater Basel in der Regie von Elias Perrig

Die Grundidee des uminszenierten Wedekind-Klassikers von Elias Perrig objektiv genial einfach und in seinem Geist der Vorlage entsprechend. Statt einer Horde pubertierender Jugendlicher, welche ihre aufwachenden sexuellen Gefühle versuchen zu verstehen und auszuleben, setzt Perrig die Handlung kühn in ein Altersheim. Moritz Stiefel, Melchior und alle andern altern zu Insassen, während die Lehrerschaft neu in der Rolle von Heimleitern und Krankenpersonal dargestellt wird. Aus den neu gezogenen Fronten  stellen sich spannende Fragen zu Sexualität im Alter, einem bei der heutigen pornofizierung der Gesellschaft grösseren Tabu-Thema als Sexualität bei Jugendlichen. Dabei bleibt die Inszenierung erstaunlich textgetreu.

So schlüssig das Konzept auf Papier scheint, desto krasser fällt das Scheitern des gesuchten Dialogs ins Gewicht. Leute ab 45 scheinen grossen Spass an der Inszenierung zu haben. Leute drunter (dazu gehöre leider auch ich) verlassen den Theatersaal leicht ratlos.

Die Inszenierung wurde vom Tempo und der Leidenschaft auf eine dezente Temperatur heruntergekocht. Die erste Hälfte schleicht tapsend vor sich hin. Nichts gegen Langsamkeit, doch das schlichte Fehlen von emotionalen Bezügen der Charaktere untereinander lässt die Textschwaden als aneinandergereihte Monologe auf den Zuschauer niederrieseln. Einzig in einzelnen Szenen werden Zwischenmenschlichkeiten ausgesprochen und/oder ausgespielt. Highlight diesbezüglich ist die SM-Sequenz von Melchior (Jörg Schröder) und Wendla (Nikola Weisse). Die Pause ist nach 90 Minuten Textwall wohlverdient und nach einer kurzen Abklärung, da ja noch einiges fehlt, schaut man der deutlich kürzeren und kurzweiligeren Hälfte mit gemischten Gefühlen entgegen. Doch schon in der ersten Beerdigung-Sequenz zeigt sich mit einem einfachen und äusserst sauber erarbeiteten Blick-Konzert, dass die Schauspieler nun einfach warm gelaufen sind. Die langsame Vorarbeit der ersten Hälfte macht sich nun verdient. Jedenfalls einigermassen. Denn auch hier fällt auf, dass ältere Leute über bestimmte Situationen und Texte lachen, wo man auch Minuten später noch versucht zu ergründen, was es war. Ich habe mich noch nie so "zu jung" gefühlt, wie in dieser Inszenierung. Und diesbezüglich ein Aufruf: Falls sich jemand Ü60 bei mir melden möchte für ein kurzes On-Line-Interview: sehr sehr gerne.

Und dies bringt mich auf den Dialog zurück. Alles in Allem scheint FRÜHLINGSERWACHEN eine Inszenierung für ältere Menschen zu sein. Dies bringt den Dialog zwischen den Generation nicht wirklich weiter. In diesem Sinne bleibt es eine Bestandesaufnahme und ein mutiges Zur-Sprache-Bringen eines äusserst wichtigen Themas. Utopie dabei bleibt die Szenerie, dass sich ältere Schauspieler von jungen Zuschauern abfeiern lassen. Und dies hätte diesem Dialog nur gut getan.

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