Dienstag, 29. März 2011

RADIOHEAD // JAMIE XX // JAMES BLAKE

In der Musikwelt finden sich im Moment verschiedene Entwürfe zum Thema Verdichtung. Wo bei JAMES BLAKE die Stille als weiteres Instrument genutzt wird und er so die Dub-Landschaft mit einer Neuinterpretation eines souligen Trip-Hops bereichert, holpert sich JAMIE XX mit seinen schiefen House-Beat-Bearbeitungen von Chart-Hits in unsere Herzen. Die Altmeister RADIOHEAD ihrerseits winken seit längerem in unregelmässigen Abständen aus ihrem Studio in die euphorische Musikgemeinde. Die Klangexperimente von Thom Yorke und Jonny Greenwood, weitab von jeglichen Konventionen und dennoch vertraut finden im Körper der Band einen Platz, sich zu entfalten. Alle drei gehören zu den wichtigen Vertretern einer eklektischen Elektronik.

Der spannende Unterschied liegt jedoch in der Verdichtung und wie die drei Parteien diese in ihrem Bereich angehen.


JAMES BLAKE:
Als Beispiel dient die Hymne LIMIT TO YOUR LOVE. Die Präzision und die Länge der Pausen, das mit sanfter Explosion aufbegehrende Piano und der wummernde Bassteppich sind neben der Stimme die wichtigsten Elemente innerhalb des Songs. Die Verwebung dieser zur ultimativen Erlösung im letzten Teil, wo mit dem langsamen Beat die einzelnen Stränge zusammenfinden, der Beat zu schlingern beginnt bis zur Destruktion. In der Bridge bleibt in der Stille die Stimme, verzerrt und in mehreren Schichten sich überlagernd.

Die Verdichtung geschieht hier innerhalb der Pausen. Die Aneinanderreihung der überschaubaren Elemente ergeben das ganze Bild und die sich verschiebenden Übereinanderlegungen lassen unsere Wahrnehmung schlingern. Die Moll-Äesthätik - auch bei JAMIE XX und RADIOHEAD wichtiges Stilmittel - unterstützt die Sehnsucht. Die Sehnsucht nach Stille und Geborgenheit.


RADIOHEAD:
Gegenüber von JAMES BLAKE, welcher mit einer technisierten Stimme daherkommt, finden die Verfremdungen bei RADIOHEAD auf analogem Weg statt. Die Beats rumpeln durch abgeglichene Sequencer und Spur wird über Spur gelagert. Das neue Album KING OF LIMBS ist eine logische Weiterführung von IN RAINBOWS. Beides Alben einer Band, die sich niemandem mehr erklären muss. Wem die Gitarrenwände aus der Anfangszeit fehlen, soll sich bitte an die alten Alben halten. Doch grundsätzlich hat sich im Blickpunkt der Verdichtung nicht viel zur Anfangszeit geändert. RADIOHEAD verstanden es schon in ihrer Anfangszeit, drei Gitarren bewusst und flächendeckend einzusetzen. Die emotionale Weite dieser Technik, das laute Verlangen nach Raum unterscheidet sich vom heutigen ins Besondere vom Instrumente-Katalog. Gitarren sind immer noch da. Doch vor allem als melodiöse Ankerpunkte im musikalischen Ozean der Frickelbeats. Es wird immer wie schwieriger, genau zu bestimmen, wer genau welche Rollen innerhalb eines Songs erfüllt. Die klassische Bandstruktur wird aufgehoben zu Gunsten eines gemeinsamen Schaffen von musikalischen Räumen, welche so dicht aufgebaut sind, dass die Ursprungsklänge zu einem neuen Ganzen mutieren. Der Faszination dieser verdichteten Klangwelten kann man sich als Musikliebhaber kaum entziehen. Die Dichte ist so fassbar, dass auch das leicht unspektakulärere KING OF LIMBS im Vergleich zu anderen Bands immer noch ein Kunstwerk sondergleichen ist.


JAMIE XX:
Als Beispiel dient hier der Remix zu ADELE: ROLLING IN THE DEEP. Schon das Original ist einer der besseren Songs der momentanen Radio-Playlisten. Doch der Remix von JAMIE XX ist ein eigenes Biest. Und was für eines. Auch hier findet eine Verdichtung statt, welche auf die heutigen technischen Möglichkeiten aufbaut. Es beginnt schon mit der Verfremdung der Stimme. Die Eier von JAMIE XX, die neu-ikonische Stimme von Adele zu verändern und per Autotune einige Oktaven runterzupitchen sind bemerkenswert. Innerhalb inflationärer Autotunig-Dudeleien dient es hier dem Remix und die Verfremdung, die Überraschung, wie auch die Fehler werden offen gelegt. Schon zu Beginn, bei der Reduktion auf die Singstimme und harten MPC-Schlägen, welche klar digitalen Ursprung haben doch von Hand, leicht schief eingegeben sind. Dieses Schlingern zieht sich durch den Track und dient in diesem Fall genau zur Verdichtung. Wären es keine Loops, würde die ganze Chose nach einigen Minuten gründlich aus dem Takt kippen. Die Willkür eines unperfekten Loops und die scheinbare Zufälligkeit der Effekte dienen der Grunddynamik der Songstruktur. Auch hier können, ähnlich wie bei JAMES BLAKE, die einzelnen Spuren noch klar zugeordnet werden, doch reduziert sich hier die Auswahl nicht auf eine Palette sondern einen ganzen Malkasten. Einzelne Effekte werden nur einmalig eingesetzt, so dass man sich bei jedem Wiederhören auf einzelne Passagen freut. Einziges Problem dabei ist die Länge des Tracks. 20 sek weniger wären noch mehr gewesen. Doch dies als einziges Zugeständnis an die DJs, welche somit auch Zeit haben, dem Remix mit einem Übergang ihren Stempel aufdrücken zu können.


Das Analoge liegt in der Stille, in den Fehlern und im Gedanken einer Band. Und genau dieses Analoge dient der Verdichtung innerhalb der Elektronik. Die letzten Jahre Minimal haben ihre Spuren hinterlassen genau so wie die grundsätzliche Party-Fröhlichkeit der Kitsune-Elektronik. RADIOHEAD, JAMIE XX und JAMES BLAKE schrauben erfolgreich an Gegenentwürfen.

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